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Kirche und Krieg

Antworten auf eine Anfrage

Frage: „Werden Soldaten vor dem Kampf gesegnet?“

Nein. Allerdings würde man im Bundesverteidigungsministerium sicher lieber die Fragestellung hören: „Werden Soldaten vor dem Einsatz gesegnet?“ Selbstverständlich kann ein Soldat vor einem sogenannten humanitären Einsatz privat jemanden bitten, ihn zu segnen. Das muß kein Priester sein. Das Segnen ist nur in einigen Fällen an eine Amtsperson gebunden, beispielsweise bei Segnungen öffentlicher Einrichtungen. Wie Eltern ihre Kinder vor dem Einschlafen, vor dem Schulweg oder später vor einer schweren Aufgabe segnen, kann auch beispielsweise ein junger Wehrpflichtiger oder Zeitsoldat von seinen Eltern, von Freunden oder einem Priester gesegnet werden.

Im Benediktionale (Studienausgabe für die katholischen Bistümer des deutschen Sprachgebietes Freiburg 1978) steht: „Der Mensch ist segensbedürftig. Er verlangt nach Heil, Schutz, Glück und Erfüllung seines Lebens. Darum sprechen sich Menschen gegenseitig Segen zu.“ Der Segen bezieht sich also keinesfalls auf die Funktion Soldat, sondern auf den einzelnen Menschen. Unabhängig von seiner Aufgabe oder seinen Einstellungen wird um Gottes Hilfe für diesen Menschen gebeten. Es spricht natürlich nichts dagegen, wenn Soldaten vor einem Einsatz gemeinsam beten oder gemeinsam einen Gottesdienst besuchen. Ein Gebetsanliegen im Sinne einer Unterstützung zum erfolgreichen „Kampf“ wäre jedoch völlig verfehlt. Segnungen eines Kampfeinsatzes gibt es nicht.

Das Benediktionale kennt 99 verschiedene Segnungsarten, gegliedert nach Segungen im Laufe des Kirchenjahres (Adventskranz, Sternsinger, Wettersegen etc.), bei besonderen Anlässen (Muttersegen, Krankensegen, Primizsegen, Pilgersegen etc.) religiöser Zeichen (Weihwasser, Kreuz, Marienbild, Kerzen etc.), in der Familie (Kinder, Kranke, Tischsegen etc.), öffentlicher Einrichtungen (Krankenhaus, Feuerwehr, Altenheim etc.), in Arbeit und Beruf (hier ist auch der Tiersegen eingeordnet), von Bildungs- und Verkehrseinrichtungen sowie in Freizeit, Sport und Tourismus. Immer gilt: Der Segen gilt nicht den Gegenständen an sich, sondern den Menschen, die mit ihnen in „rechter Weise“, also nach Gottes Willen umgehen sollen.

Frage: Werden oder wurden jemals von katholischen Feldgeistlichen oder anderen offiziellen Vertretern der katholischen Kirche in einem Krieg – zum Beispiel einen sogenannten „gerechten Krieg“ – Waffen gesegnet?

„Werden“ nein, „wurden“ ja. Zur aktuellen Situation sei eine Pressemitteilung des Katholischen Militärbischofamtes (KMBA BN, Pressestelle, Adenaueralle 115 53113 Bonn) zitiert:

Keine Waffensegnungen in der Deutschen Bundeswehr

In der Deutschen Bundeswehr finden Waffensegnungen oder dergleichen durch katholische Militärgeistliche oder Geistliche der Diözesen nicht statt. Das auch im Jurisdiktionsbereich des Katholischen Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr gültige, von der Deutschen Bischofskonferenz approbierte Benediktionale sieht eine Segnung von Waffen nicht vor. Ein Eigenformular existiert nicht. Auch die im Benediktionale vorgesehenen Segnungsformulare für Gebäude, Fahrzeuge etc. finden auf entsprechende Objekte der Bundeswehr keine Anwendung. So finden in der Bundeswehr durch katholische Militärgeistliche und durch Geistliche der Diözesen Segnungen von Schiffen, Kasernen u. ä. nicht statt. Anwendung findet das Benediktionale ausschließlich für kirchliche Einrichtungen und Gegenstände der Katholischen Militärseelsorge.

Durch die Zentrale Dienstvorschrift 40/1 Standortdienstvorschrift des Bundesministers der Verteidigung i. d. F. vom 19.1.1967 werden die zuständigen Standortältesten ausdrücklich darauf hingewiesen, daß „das Mitführen von Waffen ... bei Gottesdiensten und Prozessionen verboten ... ist“ (Nr. 56). Außerdem wird hier geregelt, daß Gottesdienste, Andachten und kirchliche Unterweisungen aus Anlaß militärischer Feiern vor der militärischen Feier und getrennt von dieser stattfinden (Nr. 57). Auf diese Weise soll auf der einen Seite die Eigenständigkeit und der besondere kirchliche Charakter von Gottesdiensten betont und zugleich nur jeder scheinbare Hinweis auf angebliche Segnung von Waffen vermieden werden.

Bei der Bundeswehr werden, wie im Kirchenrecht vorgeschrieben, beispielsweise Kapellen gesegnet. Aber selbst Sanitätsfahrzeuge erhalten keinen Segen, um jeden Eindruck und jede Assoziation zu vermeiden, Krieg, Kampf und gewaltsame Konfliktlösungen stünden unter dem Segen Gottes. Der Segen Gottes wird nicht für Dinge erfleht sondern für Menschen. Sie können aufgrund äußerer Umstände in die Situation eines Krieges oder eines bewaffneten Konfliktes geraten, ohne eigene Schuld und ohne Chance aus der Situation auszubrechen.

Soweit zur Stellung der Kirche heute. Gab es jedoch früher Waffensegnungen? Die historische Frage ist in der Forschung verschiedentlich aufgegriffen worden. Im LThK, dem Lexikon für Theologie und Kirche, findet sich zu Waffensegnung etwas unter dem Stichwort „Schwertweihe“. Dort steht:

Schwertweihe, Degenweihe, Waffensegen, ist die dem Papst und dem Bischof für die mittelalterliche Königsweihe und die Aufnahme in den Ritterstand („Schwertleite“) vorbehaltene Benediktion zum Übertragen der Schwertgewalt. ... Die Weiheformel (Pontificale Romanum I, De benedictione novi militis) bezeichnet das Schwert als Verteidigungswaffe zum Schutz des Glaubens und des Rechtes gegen die Gottlosen. Kirchenfeinde wenden sich gegen das angebliche Weihen von Mordwerkzeugen, allein die Kirche betrachtet das von einer zum Schutz der Christen verpflichteten Person geführte Schwert als Mittel zur Erhaltung des Friedens. Daher gab es keine Weiheformel der Waffen, die das dem Ritterstand nicht angehörende Volk mit sich trug.

Im Dritten Reich hat es meinen Recherchen zufolge keine Waffensegnungen durch die Kirche gegeben. Gesegnet wurden nur die Menschen.

Frage: Wird Gott vor einer Schlacht im Gebet um den Sieg angefleht?

Heute von seiten der Kirche nein. Früher ja. Die Bitte um überirdische Hilfe in einem Kampf ist uralt und scheint ebenso zutiefst menschlich zu sein, wie die transzendente Ausrichtung des Menschen an sich. Gerade auch außerhalb des christlichen Raums sind viele religiöse Riten vor dem Gang in eine Schlacht überliefert, die neben dem Beistand Gottes oder der Götter oft auch Auskunft über den Ausgang der Schlacht geben sollten, beispielsweise die Knochenschau oder die Vogelschau bei den Römern.

Daß dies im christlichen Raum nicht mehr geschieht, hängt damit zusammen, daß zunehmend bezweifelt wird, ob es einen gerechten Krieg überhaupt gibt. Denn nur hier wäre ein Gebet um den Sieg erlaubt. In diesem Zusammenhang spielen sicher geänderte Einstellungen zum interreligiösen Dialog und zur Art und Weise, wie der Absolutheitsanspruch des Christentums gelebt werden kann und darf, eine Rolle.

Frage: Wenn Gott vor einer Schlacht um den Sieg angefleht wird, wird sich sicherlich der Feind genauso verhalten. Wem soll der liebe Gott nun beistehen?

Ein echtes Dilemma? Nein, denn aus historischer Perspektive macht diese Frage keinen Sinn. Es kamen nur zwei Möglichkeiten in Betracht. Erstens: Ich kämpfe gegen einen Nichtchristen, der mich oder meine Familie oder meinen Glauben massiv bedroht. Der andere kann Gott gar nicht anrufen. - Zweitens: Der andere ist Christ wie ich. Dann gibt es wieder zwei Möglichkeiten. Zum einen: Der andere hat mich angegriffen und ich verteidige mich. Mein Krieg ist gerecht, der des anderen ungerecht. Gott hilft mir. Betet der andere ebenfalls um Gottes Beistand, obwohl er einen ungerechten Krieg führt, ist das Blasphemie. Er lädt noch eine weitere Sünde auf sein Gewissen. Zum anderen: Aufgrund äußerer Umstände, aufgrund von Mißverständnissen und Vorurteilen kommt ein Krieg zustande, den beide als gerecht empfinden. In diesem Fall entscheidet Gottes Weisheit, wer von beiden Parteien einen gerechten Krieg führt. Wer verliert, hatte kein gerechtfertigtes Anliegen.

Natürlich war auch früher klar, daß eine solche Schwarz-Weiß-Malerei die komplexe Wirklichkeit nicht trifft. Aber Schwarz-Weiß-Thesen waren schon immer populär. Die moderne Kommunikationswissenschaft bestätigt das immer wieder, beispielsweise im Bereich der Wirkungsforschung (Werbung, politische Wahlen, Handlungsmuster im TV) oder auch in der Nachrichtenforschung. Viele Kommentatoren und erst recht Rezipienten waren zum Beispiel ernsthaft verwirrt, als es im Jugoslawien-Krieg keine eindeutigen Bösen und Guten gab. Dagegen war die Aufteilung im Kalten Krieg einfach.

Frage: Wo könnte man gegebenenfalls Veröffentlichungen zu diesem Thema finden?

Zu Waffensegnungen beispielsweise: Andreas Heinz, „Wafffensegen“ und Friedensgebet Zur politischen Dimension der Liturgie, in: Trierer Theologische Zeitschrift 99 (1990) S. 193 – 216

Zum Thema „gerechter Krieg“ dürfte zunächst der Absatz 6.6 des Stichwortes Krieg IV in der TRE (Theologische Realenzyklopädie, Band XX, Berlin – New York 1990) sein. Die klassische Lehre vom gerechten Krieg schildert Joseph Kardinal Höffner, der frühere Erzbischof von Köln, in seiner „Christlichen Gesellschafslehre“ (Kevelaer 1997). Bernhard Sutor geht in seinem Lehrbuch „Politische Ethik“ (Paderborn 1991) auf den „gerechten Krieg“ nur kurz ein.

Im Weltkatechismus der katholischen Kirche wird der gerechte Krieg im Zusammenhang mit dem fünften Gebot „Du sollst nicht morden“ behandelt. Jeder Bürger ist nach dem Katechismus verpflichtet, sich für die Vermeidung des Krieges einzusetzen (Nr. 2308). Es werden sehr enge Kriterien für Notwehr aufgeführt. Der Katechismus beruft sich in der Verurteilung jeden Krieges auf die Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ des 2. Vatikanischen Konzils. Alfred Läpple zitiert in seinem Arbeitsbuch zum Katechismus der Katholischen Kirche (Augsburg 1993) Helmut Thielicke:

Die einzig möglichen Folgerungen ... müssen offenbar lauten, daß es erstens keine nuklearen Kriege mehr geben darf, und daß zweitens selbst die alte Fragestellung christlicher Theologie, ob ein iustum bellum erlaubt ist, überfällig geworden und auf einen Atomkrieg nicht mehr anwendbar ist. Denn der Begriff des gerechten Krieges, nämlich der des Verteidigungskrieges, ist ja nur so lange sinnhaft, wie Verteidigung überhaupt möglich ist, wie also einmal Chancen des Überlebens bestehen und wie ferner eine erträgliche Relation zwischen der angerichteten Zerstörung und dem Verteidigungsgut besteht. Wenn aber Angriff sowohl wie Verteidigung bei gleichrangigen Atommächten mehr und mehr identisch werden mit Selbstvernichtung, so entfallen diese Unterscheidungen, und der Begriff des gerechten Krieges wird absurd.

Genau wie im privaten Bereich die Notwehr erlaubt und nicht als Verstoß gegen das fünfte Gebot gesehen wird, soll es im staatlichen Bereich die Möglichkeit geben, sich gegen einen Angreifer zu verteidigen. Das fünfte Gebot wird daher heute oft mit „du sollst nicht morden“ übersetzt, statt mit „du sollst nicht töten“. Mord im juristischen Sinne ist zu verurteilen. Bei Tötung muß man genauer hinsehen. Nach Thielicke gibt es im Atomzeitalter keinen gerechten Krieg mehr, da Krieg Selbstzerstörung bedeuten würde. Allerdings sind seit 1945 mehr Menschen in Kriegen gestorben als im Zweiten Weltkrieg selbst. Keiner davon war ein Atomkrieg. Thielicke focussiert das Problem auf den Kalten Krieg. Die vielen sonstigen Konfliktherde läßt er außer acht. Gibt es hier einen gerechten Krieg? Oder einen gerechten schlichtenden Einsatz? Die USA als glaubwürdige Weltpolizei? Einsatz im Irak – kein Einsatz in Somalia? Die Tendenz in der Kirche geht klar dahin, jede Art von Krieg, auch die gewaltsame Einmischung in Konflikte, zu verurteilen.

Eines der ersten Dokumente, das nuanciert und kompetent auf auf diese Fragen eingeht, ist die Enzyklika Evangelium Vitae von 1995:

Zu den Hoffnungszeichen muß auch eine in breiten Schichten der öffentlichen Meinung zunehmende neue Sensibilität gezählt werden, die immer mehr gegen den Krieg als Instrument zur Lösung von Konflikten zwischen den Völkern gerichtet ist und nach wirksamen, aber „gewaltlosen“ Mitteln sucht, um den bewaffneten Angreifer zu blockieren. In dasselbe Blickfeld gehört auch die immer weiter verbreitete Abneigung der öffentlichen Meinung gegen die Todesstrafe selbst als Mittel sozialer „Notwehr“, in Anbetracht der Möglichkeiten, über die eine moderne Gesellschaft verfügt, um das Verbrechen wirksam mit Methoden zu unterdrücken, die zwar den, der es begangen hat, unschädlich machen, ihm aber nicht endgültig die Möglichkeit nehmen, wieder zu Ehren zu kommen.

Peter Mösgen, 20. März 1998

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 © Peter Mösgen Peter Mösgen 17. November 2001